Kapitel 9 Damit lebe ich weiter


Kapitel 9
Damit lebe ich weiter

Mein Kopf brummte etwas. Es war dieses Gefühl, wenn ich zu wenig Schlaf bekam, aber diesmal war ich nicht müde. Ich versuchte mich ein wenig aufzurichten, aber der Schmerz hielt mich auf. Horsts Angriff steckte immer noch in meinen Nerven. Nun realisierte ich auch meine Umgebung. Es war ein kleines Zelt, so gut wie leer, nur ein paar Fässer rechts und links von mir. Da kam auch schon Katharina vom Zelteingang auf mich zu. Ihre graziös-galanten Bewegungen beruhigten meine Atmung und mein Gemüt. „Geht es dir wieder besser?“, fragte mich diese zärtliche Stimme. Das Mädchen half mir wieder aufzustehen. So überwand ich mich und begann mich wieder aufzurappeln. Aus der Leichte des Sitzens in die Schwere des Stehens. Das ewige Feuer brannte weiter in mir, während ich mich immer ab und zu schlecht fühlte, so brannte es weiter in den verschiedensten Farben, vom Blau wie das Meer bis hin zum Rot des Blutes. „Was geht hier eigentlich ab?“, fragte ich mit einer locker-lustigen Art. Sie führte mich aus dem Zelt hinaus und es spielte vor meinen Augen ein neues Bild, ein Bild der Freude. „Das Ende des Sieges“, so hätte ich es jedenfalls genannt. Die versprochene Feier fand tatsächlich statt. Wir waren bei einem Stück Wald und See, welches ich vorher noch nie gesehen hatte. Das Geheimnis dieser Freude der Menschen war mir noch etwas unerschlossen, doch alsbald sollte sich auch dies gelöst haben. Da waren sie alle versammelt. Wang am trinken mit Khan. Sie hatten meinen Lieblingspflaumenlikör in der Hand, während sie an einem Tisch standen und sich schon halb abstützen mussten. Die Stimmung hob sich in mir. Nicht weit von ihnen saßen auf einer Bank, welche nah an einem großen Feuer lag, verschiedene Mitglieder, darunter auch Tom, Ken und Sandra. Es sah alles so hell und freudig aus. Von hinten tippte mich jemand an und drückte mir eine Flasche auf die Brust. Ich nahm sie intuitiv an und schaute in das Gesicht der Person. „Lass uns etwas Spaß haben, Arata.“ Xiaoyus Stimme war so schön wieder zu hören. Ich ging mit ihr und Katharina an einen unbesetzten Tisch, aber schon auf dem Weg dahin kam jemand zu uns und es entwickelte sich ein Gespräch.

Wang: Na Arata, ganz allein mit zwei hübschen Mädchen?
Arata: Ho Wang, du kannst noch laufen?
Wang: (Mit heiterer Stimme.) Was soll das heißen? Sehe ich so betrunken schon aus?
Xiaoyu: He Wang, du solltest jedenfalls keinen mehr trinken.
Wang: Na, die Kleine will mir was befehlen, ja?
Arata: Lass uns doch zusammen einen Schluck nehmen.
Wang: Am besten gleich wir alle.
Alle machen sich bereit zum anstoßen.
Arata: Auf was trinken wir?
Katharina: Auf den glücklichen Sieg?
Wang: Mit dem peinlichen Ende?
Xiaoyu: Auf uns?
Arata: Auf uns!
Alle: Auf uns!
Sie stoßen an und trinken einen großen Schluck aus ihren Flaschen.
Arata: Kann mir eigentlich jemand erzählen, was da passiert ist? Also nachdem ich reingegangen bin.
Katharina: Viel gibt es da nicht zu erzählen.
Wang: Ganz und gar nicht viel. Nachdem du drin warst, wahrscheinlich gerade in den Keller gegangen, fing es schon an. Von allen Seiten berichtete man uns von Eindringlingen. Wie es sich herausstellte waren es nur drei Männer: Horst und seine zwei Handlanger. Wir glauben, es waren Illusionen, die unsere Leute gesehen haben. Naja den Rest kannst du dir dann ja wahrscheinlich denken.
Katharina: Sie wollten dich schon fast alleine lassen, aber man hat uns anvertraut dich da rauszuholen, nachdem unsere ersten Leute ohnmächtig geworden sind.
Arata: Ohnmächtig?
Katharina: Es waren wohl die Kräfte Horsts. Wir waren auch sehr erstaunt. Es kam uns verdammt unheimlich vor, deshalb sind auch einige geflüchtet, nachdem sie einige Bücher aus dem Arbeitszimmer von Sergej genommen haben und wiederum andere hatten zu viel Angst.
Arata hält kurz inne. Die Leute schweigen für einen Moment und schauen sich gegenseitig an. Eine neue Person erscheint von hinten.
Ken: Hey Leute, wie sieht’s aus? Arata geht’s dir gut?
Arata: Oh und wie es mir jetzt gut geht.
Arata trinkt einen Schluck Likör.
Ken: Wenn du mal Zeit hast, komm zu mir dahinten in das Zelt. Ich würde dir gerne mal was zeigen. Und Leute: Trinkt nicht zu viel.
Ken geht wieder.
Wang: Hach, wenn der Junge mal richtig trinkt, dann ist er auch total lustig.

So vergingen die Minuten, vielleicht sogar die Stunden, so genau konnte man das ja nie sagen innerhalb einer Feier. In gut angeheitertem Zustand trottete ich in das Zelt, wo mich Ken hinbestellt hatte. Er war dort nicht alleine: Khan lag in einer Ecke auf einem kleinem Sofa. „Soviel zur Disziplin dieser Organisation“, dachte ich mir nur. Langsam und gemütlich stand Khan auf und bewegte sich etwas zu mir. „Wenn das nicht unser Held ist.“ Diese Bemerkung akzeptierte ich relativ wertfrei. Mit einer Geste führte er mich zu einem beleuchteten Pult, auf dem ein paar Bücher lagen. „Schau dir das mal an“, fing Ken an zu sagen. „Das sind zwei Tagebücher von Sergej. Für uns scheint es alles nur unnützes Zeug zu sein, aber vielleicht kannst du damit mehr anfangen.“ Ich fing an, durch die Bücher zu blättern. Die beiden schauten mir aufmerksam dabei zu. Nach einigen Sekunden schien ihnen das auch zu mühselig und sie setzten sich beide auf das Sofa und redeten leise. In der Tat sah ich nur mehr oder weniger banale Dinge, die einem nicht viel weiter halfen. Für mich war es zwar interessant den Alltag eines Sektenführers sich besser vorstellen zu können, aber mehr auch nicht. Ich wollte schon fast das Buch beiseite legen, da fiel mir ein, die zweite Ebene zu benutzen.

Es waren nur einige Seiten hell, einige Sätze leuchteten auf. Langsam versuchte ich zu einem Stift zu greifen und etwas aufzuschreiben, obwohl ich mich stark dafür konzentrieren musste. Ich fing an Wörter aufzuschreiben. Mit der einen Hand blätterte ich und der anderen kritzelte ich wortartige Zeichen. Es fühlte sich an, als ob ich gerade eine unglaublich schwere Matheaufgabe löste und gleichzeitig einen Marathon liefe. Ein unterbewusster Zustand ging schnell zu Ende. Es formte sich ein Satz, aber eigentlich war er nur sehr trivial. Die beiden anderen schauten auf ihn, während ich mich auf das Sofa saß. Das, was gerade passiert war, flog noch einmal durch meinen Kopf, wie eine Abfolge von Bildern, aber auch teilweise kamen nur Fetzen in meinem Kopf zum Vorschein. Ich wollte sie jetzt aber nicht alle rekonstruieren oder weiter darüber nachdenken und ließ sie einfach nur wirken. Für mich gab es wieder wichtigere Sachen zu tun. Es erinnerte mich an die Situation von John in diesem Moment. „Das einzige Licht, was scheint, ist das Licht der Sonne.“ Ein Satz, über den man wahrlich nachdenken konnte. Khan fragte mich, was es bedeuten könnte. Ich ging kopfschüttelnd nach draußen. Woher sollte ich denn auch wissen, was es bedeuten könnte? Mein Kopf musste frei werden und dafür brauchte ich einen unendlichen Blick in das Weite der nächtlichen Dunkelheit. Diese Szenerie in Richtung des Waldes gepaart mit einer Brise frischer Luft, gab mir wieder neue Gefühle, obwohl ich immer noch etwas kaputt war. Mein Kopf fühlte sich nicht sehr schön an, obwohl sich meine Brust frischer denn je fühlte. Man konnte mich halt nicht aufhalten verrückter zu werden. „John, wie kann ich dir eigentlich helfen?“ Diese Frage regte den Geist in mir wohl gar nicht. Er wollte wohl noch etwas warten bis sein Auftritt kam. Da kam mir von der Seite schon wieder die eine Person.

Katharina: Hey Arata, was ist los?
Sie klopft Arata auf die Schulter.
Arata: Hast du wieder zu viel getrunken?
Katharina: Warum zu viel und warum wieder? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.
Sie lächelt leicht. Er lächelt leicht zurück.
Arata: Ach weißt du, gerade ist wieder der merkwürdigste Scheiß überhaupt passiert. Ich kann mich dazu kaum ausdrücken.
Katharina: Davon hab ich auch gerade etwas gehört. Versuch es doch mal mit fremden Versen für deine Gedanken.
Arata: Ist das eine Anspielung?
Katharina: Überhaupt nicht, auf was denn?
Sie guckt ihn ganz ernst an.
Arata: Hätte ja sein können … Sag mal …
Katharina: Ja?
Arata seufzt nur.

Da schauten wir uns gegenseitig lang in die Augen, ab und zu immer weg, aber doch für einige Zeit. Danach kam auch schon der Moment. Dann konnte man nichts mehr sagen. Darum wollte man auch nichts mehr sagen. Das einzige was jetzt noch war, war nachdenken über das, was war. Darf man denn immer solange schweigen oder sollte man auch mal was sagen? Darüber und vieles anderes dachte ich nach.

Katharina: Also über was wolltest du sprechen?
Arata: Meine Ängste, meine Gefühle und alles andere, aber das wäre schwer.
Katharina: Ich weiß. Jeder denkt darüber nach, ewig und ewig, aber selten redet man darüber offen, wenn überhaupt und manchmal auch nur sporadisch.

Noch fühlte ich mich nicht ganz geöffnet gegenüber Katharina. Es blieben einige Hemmungen bei mir. An sich kannte ich sie auf dieser Ebene ja so gut wie gar nicht. Meine Worte sollten überlegt sein. Vielleicht hätte ich daran denken sollen, wozu ich nachdenken sollte über Dinge, die mich belasteten, anstatt sie zu entlasten.

Arata: Ich weiß nicht. Kann ich mich dir anvertrauen?
Katharina: Was solltest du verlieren können?

Eine berechtigte Frage, welche ich leider allzu leicht beantworten könnte. Wenn jemand alles über mich weiß, kann er auch alles über mich sagen, ohne dass ich es will. Früher ist mir das oft passiert, dass ich den falschen Leuten die falschen Dinge anvertraut hatte und sie dadurch Gerüchte verbreiteten oder andere Sachen, die mir unangenehm waren. An sich war dies ja lange genug her, dass ich einen neuen Versuch hätte starten können … Ich war immer noch sehr unentschlossen, was diese Sache betraf.

Arata: Weißt du, setzen wir uns doch irgendwo hin.
Katharina nickt und sie laufen zu einer Bank, um sich zu setzen.
Katharina: Du kannst mir ruhig einige Dinge erzählen, weißt du. Seitdem du meinen Bruder erlöst hast und unserer Organisation geholfen hast, vertraue ich dir sehr.
Arata: Ich vertraue dir auch, aber manchmal braucht es einfach etwas Zeit, um offen über Dinge zu sprechen. Ich bin ein Mensch, der sehr viel nachdenkt und auch sehr viel reflektiert, aber seitdem ich diese Kräfte besitze, ist dies alles ganz anders. Die Gefühle sind intensiver. Oft ist es so, dass es sich so anfühlt, als ob ich einen Traum erlebe und auch die Dinge spüre. Manchmal braucht es einige Minuten bis ich Realität von meinen inneren Erlebnissen unterscheiden kann.
Katharina: Davon hab ich auch schon gehört. Das ist wohl bei vielen Leuten mit Kräften so, wie wir herausgefunden haben.
Arata: Du weißt davon?
Katharina: Noch nicht sehr lange ist es gesichert, aber umso stärker die Kräfte einer Person, so scheint es jedenfalls, umso mehr wird sein geistiger Zustand beeinträchtigt, beziehungsweise fremder Mächte ausgesetzt.
Arata: Vielleicht kann ich mich darum auch nicht bewegen, wenn ich sie benutze. Es ist als ob mein Körper überfordert, ja überwältigt, ist von diesen Mächten.
Katharina: Ja, das ist wahrscheinlich so.
Arata: Dieser Horst aber konnte sich trotzdem bewegen, sogar ganz frei und ich glaube Sergej auch. So langsam bekomme ich Angst, was noch weiter werden soll.
Katharina schaut Arata nur an und antwortet nach einiger Zeit.
Katharina: Hab’ nicht zu viel Angst und konzentriere dich auf Dinge, die du vorhersehen kannst. Das ist jedenfalls meine Einstellung. Wenn du das gut machst, kannst du auch wenig bereuen.
Arata: Geht es denn immer um das Leben ohne etwas zu bereuen?
Katharina: Letztlich gesehen könnte man gut leben und alles bereuen oder auch einfach schlecht leben und nichts bereuen. Das ist egal. Es komm auf dich an.
Arata: Ich verstehe …

Es kam eine weitere Stille in das Gespräch. Dies sollte auch die letzte sein. Von hinten kam Sandra, eine Teamleiterin, die ich noch so gut wie gar nicht kannte, aber ich war immer offen für neues, also oft. Sie kam mit einer Flasche Alkohol in der Hand an, schien aber noch recht ordentlich laufen zu können. Sie sah an sich auch nicht so schwächlich aus, eher eine starke Frau in ihren jungen Jahren, dabei aber ein zierliches Gesicht mit einem Körper voll weiblicher Rundungen. Es war ein gewisses Selbstbewusstsein, eine Art Aura die sie ausstrahlte. Eines dieser Mädchen, was mich oberflächlich etwas verzauberte, auch wenn ich mich davon äußerlich nicht beeindrucken ließ, fühlte es sich anders an. Beim ersten Treffen war ich wohl viel zu konzentriert auf andere Dinge, als das ich dies jetzt erst wahrnahm. Alternativ war ich einfach wieder zu geil und hatte zu lange nicht meine Hände poliert. Sie lud uns ein, näher zur Musik zu gehen, da wir von hier kaum was hörten von der schönen Musik und es gleich einen Auftritt geben sollte. Wir gingen also zur Bühne, die ich vorher auch nicht gesehen hatte. Heute waren nur Überraschungen für mich angebracht. Dies alles ließ mich etwas leicht von der Spur kommen.

Sandra: Gleich geht es los. Die Vorbereitungen sind schon vorbei. Diese Musik ist so cool. Die spielen richtig schön schnell und das mit meinen Lieblingsinstrumenten.
Sie drängeln sich weiter in die Masse.
Sandra: Lass uns weiter nach vorne.
Katharina: Wir bleiben lieber etwas weiter hinten, oder?
Arata: Wäre ich auch dafür. Da vorne wird es doch wahrscheinlich eh zu laut.
Sandra: Ach, Spielverderber. Viel Spaß euch da hinten.
Sandra geht alleine nach vorne. Katharina und Arata bleiben in den hinteren Reihen.
Bandsänger: Seid’ser bereit? Wir treten heute exklusiv nur für euch auf. Nicht das wir sonst viele Auftritte hätten, aber heute nur für euch!
Arata: Kennst du die?
Katharina: Nicht wirklich, war noch nie auf einem ihrer Konzerte.
Bandsänger: Und eins und zwei und los geht’s!

Die Musik fing an zu spielen und alle fingen an wie gebannt auf die Bühne zu schauen und ihre Körper zu einem imaginären Takt zu bewegen. Ich spürte die Freude der Menschen und schloss mich der Euphorie der Bewegung an. Es war faszinierend für mich, wie gut die Leute untereinander Spaß hatten ohne andere zu stören. Katharina schien sich auch zu amüsieren. Da legte Wang auch schon seinen Arm um mich und wir tanzten zusammen. „Jetzt wird gefeiert!“, schrie er mir in das linke Ohr.

Das Konzert kam mir eigentlich viel zu kurz vor, so schnell war es vorbei. Einige Lieder gefielen mir zwar nicht ganz, aber manche waren so gut, dass ich am liebsten wollte, dass sie nicht enden. Wir setzten uns danach noch einmal alle zusammen hin. Die anderen Leute der Feier gingen scheinbar nach Hause.

Wang: So, das war’s dann für heute Abend. Das Programm ist vorbei.
Arata: Welches Programm? Es gab ein Programm?
Katharina: Hat dir davon niemand erzählt?
Katharina lächelt Arata an. Arata guckt nur ohne jeglichen Ausdruck zurück.
Sandra: War die Band nicht unglaublich?
Arata: Sie gefiel mir auch sehr.
Wang: Schwärmen wir nicht soviel von der Band.
Katharina: Wang, wie schaffst du es so nüchtern zu sein?
Wang: Ein wahres Wunder. Ich weiß. Aber dennoch ist es manchmal möglich, dass …
Arata: Ich glaube, das sind die Nachwirkungen.
Wang: Du Elender, was redest du?
Arata lacht.
Katharina: Der Wang ist manchmal einfach zu lustig.
Wang gestikuliert mit seinen Händen eine Art Verwunderung und Verwirrung zugleich.
Arata: Wie komm’ ich eigentlich wieder nach Hause?
Katharina: Keine Sorge, den Weg werd’ ich dir dann schon zeigen.
Sandra: Ja, es ist auch schon spät. Vielleicht sollten wir bald gehen. Wang vergiss nicht, wir wollten uns noch vorher treffen.
Wang: Wie wir?
Sandra: Na, wir die Teamleiter.
Sandra schaut in Richtung eines Zeltes.
Sandra: Oh, es ist wohl schon soweit. Los komm, Wang!
Sandra zieht Wang in Richtung Zelt.
Arata: Und so gehen sie. Dann sind wir wieder ganz allein.
Katharina: Tja, wir sollten uns nun auch aufmachen. Morgen werde ich dir alle Informationen zukommen lassen. Auch wie es jetzt in unserer Organisation weiterläuft. Erste Ideen gab es schon, aber ich schätze sie diskutieren jetzt noch ein letztes Mal.
Arata: Na dann lass uns gehen.

Mitten in der stockfinsteren Nacht begaben wir uns auf den Heimweg. Meine Uhr im Mobiltelefon zeigte eine Zahl an, die fast schon hoffen ließ, dass es bald wieder hell würde. Wie lustig es doch war, wenn man gleichzeitig lachen und schreien könnte. So kamen mir wieder die Gedanken des Konzerts von gerade eben auf, auch wenn ich noch von der Euphorie gepackt war und eigentlich nur Freude in mir hatte. Ob John sich wohl auch freute? „Oh ja, du Penner“, kam eine Stimme in mir auf. Ich konnte nur lächeln. Katharina wunderte sich und ich sagte nur: „Nichts.“ Während des Laufens konnte ich fast nicht den Verlauf des Weges erkennen, aber das Mondlicht ließ mich Katharina erkennen und so folgte ich ihr einfach. Wir liefen lange durch einen Art kleinen Wald, entlang einem Bach zwischen vielen Bäumen und einem relativ breitem Weg. Da kamen auf einmal vom weiten Lichter auf und merkwürdige Geräusche an einer Kreuzung von rechts.

Sänger: Los geht’s, Brüder!
Musik fängt an zu spielen.
Sänger: Yeah! Penisse aus Edelstahl bis die Finger bersten!
Eine Gitarre, Blasinstrument und eine Trommel spielen.
Sänger: Aj Jaj Jaj Jaj! Nur die Liebe hilft! Wa pa pa pa daj!
Band: Trolle in den Wäldern! Ja ja! Da hilft auch nur der Müll!

Wir waren sichtlich überrascht. Was da auf uns zukam, war alles andere als üblich. Ich blieb neben Katharina stehen und die Band zog weiter durch die Kreuzung. „Ich glaub, die such ich mal im Internet“, sagte ich. Der Marsch ging weiter und schon bald sahen wir die ersten Straßenlaternen. Mir waren wieder gewohnte Straßen sichtbar. Wir waren nicht weit entfernt von Katharinas Haus. Es kam ein gewisses Gefühl im Bauch auf zu wissen, dass bald ein Ende kommen würde. Entweder das Ende des Abends oder das Ende der Anwesenheit Katharinas in meiner Nähe. Darauf hatte man doch nie Lust. Etwas Schönes enden lassen war immer das Unschönste, was es gab. Umso näher wir ihrem Haus kamen suchte ich Dinge zum reden im Kopf, aber dachte mir auch: „Wozu noch reden? Es ist eh gleich vorbei.“ Meine pessimistische Ader trat wieder zum Vorschein. Dennoch wusste ich, dass es eine gewisse Chance gab, die ich nutzen sollte, oder wenigstens ergreifen wollte. Katharina war anders als so manches Mädchen, welches ich schon kennen gelernt hatte. Bei manchen fühlte ich mich schnell vertraut und sie waren geradezu einladend, aber Katharina war anders. Bei ihr fühlte ich noch einen gewissen Abstand, obwohl ich sie sehr mochte. In einer Welt voller verrückten und hemmungslosen Personen fühlte ich mich immer zu sehr als normal, fast schon als abnormal. Es kam mir schon wieder alles wie ein schon mal erlebtes Ereignis vor – Ein Déjà-vécu. Dennoch war es diesmal etwas anders. Ich fühlte mich gut genug, um dieses mal etwas zu ändern.

Ehe ich es mal wieder wusste, waren wir direkt vor ihrem Haus. Unsere Schritte verlangsamten sich bis dahin. Es wurde um einiges schwerer nun seine Worte zu finden, jetzt wo sich der Moment so deutlich anbahnte. Irgendwie musste es aber dann doch weitergehen.

Katharina: Da wären wir. Ja …
Katharina lächelt etwas.
Arata: Wohnst du ganz allein?
Katharina: Nein, meine Eltern sind manchmal hier, aber sehr selten.
Arata: Hättest du was dagegen wenn ich mit reingehe? Wir könnten ein wenig reden.
Katharina: Na dann, komm mal rein.
Sie gehen in das Haus Katharinas.
Arata: Mir fällt gerade ein. Weißt du eigentlich, wer Wangs Schwester ist?
Katharina: Hmm, eigentlich nicht. Warum?
Arata: Igor sprach damals davon, weißt du noch?
Katharina: Ach, als du mir erzählt hast, wie ich Wang kontaktieren sollte, ja genau, aber seine Schwester hatte ich ausgeblendet, da ich sie nicht kenne.
Arata: Hmm, voller Geheimnisse diese Welt.
Katharina: Musst du grad’ sagen. Ein Junge der solche Fähigkeiten besitzt …
Arata: Tja, eines Tages wachte ich halt so auf.
Katharina: Wirklich?
Arata: Also so ungefähr …
Sie betreten das Zimmer.
Katharina: Da wären wir.
Arata betrachtet das Zimmer sorgfältig und mit Ruhe.
Katharina: Gefällt es dir oder was?
Arata: Am meisten gefällst mir du.

Ein verlegenes Lächeln kam bei Katharina auf. Sie setzte sich auf ihr Bett und ich folgte ihr sogleich. Für mich war ja die Liebe, diese Liebe, die ich meine, die nicht andere meinten, etwas wie eine Rose. Wenn ich alleine an dieses Bild dachte, musste ich es nicht weiter ausführen, um zu wissen was ich selbst meinte. Es war sozusagen nur eine Denkhilfe für mich, immer vorsichtig zu sein. Der Höhepunkt rückte immer näher, wie sollte ich bloß auf ihn zustoßen, war meine Frage. Vielleicht fragte sich das ja jeder in solch einer Situation, aber wahrscheinlich nicht. Meine Persönlichkeit erlaubte es mir nicht einfach so loszulegen und etwas vorzuspielen um das Vorspiel einzuleiten. Bei mir musste es viel natürlicher gehen im Sinne einer Logik, wenn ich nicht gerade vor mir ein Mädchen habe, welches ich nicht respektierte, aber so war es nicht. Aber doch musste ich weiterkommen, auch um des Sieges Willen. Es gab sonst nirgends für mich so eine Gelegenheit. „Die Sonne strahlt direkt vor mir.“

Arata: Weißt du, du bist eines der Mädchen, welches ich sehr respektiere. Ich finde deine Persönlichkeit einfach toll und habe Gefühle für dich.
Katharina: Seitdem du mir mit meinem Bruder geholfen hast, habe ich auch das erste Mal Gefühle für dich gehabt.

Wir redeten so einen großen Scheiß, dass ich innerlich fast schon lachen hätte müssen in diesem Moment, aber ich war aufgeregt, wie ein kleiner Junge, der ein neues Spielzeug ausprobierte und deshalb fiel mir dies nicht auf. Also ging ich noch weiter in diese Richtung. Der Verlauf fühlte sich gut für mich an und an eine Enttäuschung war nicht zu denken. Ich musste weiter in der Zeit vorstoßen, um die andere Seite der Wand zu sehen, die Wunder der Zukunft.

Arata: Kennst du das? Wenn du mit einer Freude am Morgen aufstehst?
Katharina: Ich kenne auch das Gegenteil, ja. Immer mit Freude am Morgen, macht der restliche Tag auch Spaß. Und, ja, ich weiß was du mir sagen willst.
Katharina kommt Arata näher. Sie sitzen dicht aneinander.
Katharina: Lass mich doch noch ein paar weitere, nette Worte von dir hören.
Arata: (Mit langgezogenen Worten.) Du hast so schöne Brüste.
Katharina lacht ein wenig.
Katharina: Da bist du tatsächlich der erste, der mir das sagt.

Ich wusste genau, wie man in solchen ironisch-zweideutigen Situationen reagieren musste. Es war nur eine einzige Entscheidung richtig und genau diese musste man treffen. Eine Falle für jeden rational denkenden Menschen extra von bestimmten Personen auf dieser Welt entwickelt, um andere zu verwirren.

Arata: Für mich bist du eh die schönste.
Katharina freut sich. Arata legt seinen Arm um sie an ihre Bauchseite.
Katharina: Arata ist auch ziemlich sexy.
Katharina streicht mit ihrer Hand über Aratas Schenkel.

Das war nun der Startschuss. Es konnte nun losgehen. Jetzt musste ich mich auf die Zärtlichkeiten konzentrieren. Immer zu dachte ich aber zu viel nach und ließ mich jetzt einfach gleiten. Ich nahm ihre Hand mit der sie gerade über mich strich und führte sie noch einmal an die Stelle. Es war wohl ein Symbol der Bestätigung … oder so ähnlich. Ich glaube zu diesem Zeitpunkt waren meine Gedanken dann auch ziemlich leer. „Fortsetzen, fortsetzen, fortsetzen“, waren vielleicht die einzigen Sachen, die da waren. Der restliche Vorgang war eigentlich recht unspektakulär, von außen betrachtet jedenfalls. Die Regungen in meinem Körper waren unbeschreiblich. Es war eine Überschwemmung meiner Sinne.

Katharina: (Leicht stöhnend.) Arata … mach weiter.
Arata: Katharina …
Arata stürzt sich auf Katharina.
Katharina: Oh, so einer bist du mir also.
Katharina hat die Arme nach oben legend in einer scheinbar wehrlosen Position. Arata fängt an sie zu betatschen.
Arata: Wie weit können wir gehen?
Katharina: So weit du willst.

Dieses Mädchen scheint ganz schön leicht ihre Hemmungen zu verlieren, vielleicht hatte sie auch einfach keine von Anfang an und sie spielte nur etwas. Es gefiel mir ja an sich unglaublich was sie da sagte und in solch einem Moment warf ich all meine Moralvorstellungen eh weg. Mein einziges Ziel war doch jetzt fast schon nur noch eines: Meine Lust zu befriedigen und auch dieses Mädchen zu befriedigen. Sagte ich doch des Öfteren das Wort „Liebe“ und küsste sie dabei einfach nur weil es mich zusätzlich antörnte. Nach und nach zogen wir ein paar von unseren Klamotten aus, die unwichtigsten Sachen halt. Es fühlte sich so unglaublich lange an wie ich sie liebkoste und zärtlich anfasste. Ihr restlicher, nackter Körper sah auch genau richtig aus, nach meiner Meinung jedenfalls. Die weiblichen Rundungen dieses Mädchens, das schöne nicht zu schlaffe Fleisch und immer dieses Gesicht, was man anschauen musste, aber auch die Titten. Wir kamen gar nicht so weit, das wir zum eigentlichen Gegenstand dieser Zeremonie kamen, da hörten wir auch schon auf. Wir redeten nur noch sehr leise und in zärtlichen Stimmen miteinander.

Katharina: Reicht es dir?
Arata: Schon irgendwie.
Katharina: Mir auch, ich bin eh etwas zu müde dafür und wir können es uns ja aufheben.
Arata: Für ein anderes mal?
Katharina: Ich hoffe doch.

Da wir schon gemütlich im Bett lagen machten wir uns auch keine weitere Mühen und versuchten gleich zu schlafen. Der restliche Abend bestand noch aus anlächeln, leichten Bewegungen und kleinen Worten. Irgendwie war es zwar nicht die große Erfüllung in meinem Leben, da ich auch anhand anderer Probleme im Leben dies wahrscheinlich nicht so genießen konnte, wie ich gerne mochte, aber ich geriet in einen Zustand, wo ich mich geborgen fühlte, ohne viele Gedanken im Kopf zu haben über diese oder jene Probleme, sondern nur noch entspannen konnte und für einen Moment alles andere verdrang. Ich dachte quasi nicht mehr an meine Probleme.

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