Kapitel 8 Der Anfang der Freiheit


Kapitel 8
Der Anfang der Freiheit

Das war mal wirklich ein erholsamer Schlaf. Die Tage brachten immer wieder neue Geschichten, wie ein neuer Abschnitt in einer Geschichte. Eigentlich kannte ich doch alle diese Dinge, die ich dann „wiederentdeckte“. Anders ging es mir mit meinem Leben, „immer weiter und weiter zu neuen Abenteuern“, so sagte man jedenfalls. Aber genau diesen Weg bin ich eingeschlagen. Immer auf meine Spontanität müsste ich mich jetzt verlassen, neue Situationen ohne Ende kennenlernen, weiter gehen. Meine liebe Banane, oh wie ich sie doch zu schätzen wusste, da diese zusätzlich auch wieder besonders gut schmeckte, versüßte es mir den frühen Morgen, diese zu essen. Ein altes Sprichwort sagt: „Gott hilft dem der Frühe.“ Obwohl mir dieser Satz bis heute grammatikalische Rätsel aufgibt, wie auch so einige andere, verstand ich ihn. Die Wahrheit teilte aber dennoch manchmal Lügen. Die Träume der Nacht waren vergangen, diese dummen Gedanken weg. Die Müdigkeit war an diesem Morgen echt schnell vergangen. Ich fühlte mich recht schnell fit, fit für neue Herausforderungen. Aber genug der Rederei, ich wollte jetzt anfangen. Eine Verabredung mit Katharina war schon gestern eingeleitet worden. Es konnte losgehen.

Diesmal war ich auf dem Weg zu einem mir völlig unbekannten Ort. Es war ein Treffen der Anti-Gemeinschaft, beziehungsweise nur von einigen Vertretern, um die wichtigsten Sachen zu koordinieren. Katharina hat mich von der Struktur kurz unterteilt: In jeder Region gibt es einige Teamleiter, diese kommandieren drei Führer, die wiederum fünf Leute befehligen. Eine sehr interessante Struktur nach meiner Meinung, soviel Professionalität hatte ich gar nicht erwartet. Zum Treffen suchten sie sich einen kleinen Container in einem Park aus. Es war wohl einer dieser Container, die manchmal irgendwo rumstanden, aber niemanden interessieren. Endlich kannte ich einen Verwendungszweck für diese. Angekommen, sah ich schon Katharina auf mich warten. Sie führte mich sogleich unauffällig in den Container und schloss hinter sich zu. Insgesamt waren mit mir und Katharina sieben Personen im Raum. Unter ihnen auch Wang. „Wang, du bist ein Teamleiter?“ Er schaute mich an und lächelte nur. Ein Gespräch fing sogleich an.

Mann: Ich will uns mal kurz vorstellen. Wir sind die fünf Teamleiter dieser Region. Mein Name ist Khan. Wang kennst du ja bereits, er ist seit Neuestem auch Teamleiter, da er seine Tätigkeit als quasi Spion ja aufgegeben hat. Katharina ist eine enge vertraute und darf also, obwohl nur Mitglied, heute auch teilnehmen. Das hier ist Ken. (Ken nickt zu Arata.) Daneben ist Sandra. (Sie lächelt kurz.) Und dies ist Tom.
Ken: Tja, Arata, ich habe schon einiges von dir gehört. Schön dich kennenzulernen.
Arata: Ich weiß leider wenig über euch.
Arata schnauft kurz auf und lächelt ein wenig.
Sandra: Vielleicht hast du von unseren offiziellen Zielen noch nie gehört, aber wir haben uns geschworen die Gottesanhänger zu beseitigen, zuerst wollten wir dies ohne Gewalt schaffen, leider war die Geschichte nicht auf unserer Seite.
Tom: Du weißt es ja sicherlich selbst. Sie haben Stellen in wichtigen Behörden unter ihrer Kontrolle, wir können nichts mehr mit reiner Präsenz ausrichten.
Arata: Wie viel Macht habt ihr denn eigentlich?
Khan: Das kommt je auf Region an, die Gottesgläubiger haben zum Glück nur drei Gemeinschaften, alle in verschiedenen Regionen, jedenfalls soweit wir wissen. In jeder haben wir aber auch eine Anti-Gemeinschaft gebildet, aber für die Geschichte unserer Organisation sind wir heute nicht zusammengekommen.
Arata: Habt ihr eigentlich Sicherheitsvorkehrungen getroffen, also vor diesem Treffen?
Khan: Natürlich, draußen stehen auch noch einmal einige unserer Leute verdeckt. Darunter auch Xiaoyu, eine Führerin in Wangs Team. Wir müssen jetzt über den Plan sprechen. Fangen wir an!
Khan scheint etwas genervt zu sein.
Sandra: So sieht die Lage aus: Nach der Nacht, in dem unser Freund Arata die Sekte stark geschwächt hatte, zogen sie mehrere ihrer Aktivitäten zurück. Es kommt seit zwei Tagen zu keinen aufgezeichneten Bewegungen mehr, unsere Späher haben nichts feststellen können.
Tom: Des Weiteren muss ich sagen, dass die geplanten Aktionen auch teilweise abgebrochen worden sind und meine Späher meinten mir, es sind einige ausgetreten. Sie haben wohl das Vertrauen verloren.
Khan: Hat jemand schon was Neues von Sergej?
Ken: Ich hatte meine Leute dauerhaft bei seinem Hauptsitz zum Überwachen stationiert. Sergej wurde nirgends gesehen. Es scheint er verweilt im Quartier der Sekte schon seit dieser Nacht. Einige Mitglieder sind dabei ein- und ausgegangen, aber mehr wurde auch nicht berichtet.
Arata unterbricht.
Arata: Von welchem Quartier reden wir hier?
Khan: Es ist eine Art kleines Haus in einer kleinen Nebenstraße. Dort treffen sich sehr sporadisch nur die wichtigsten Personen der Sekte. Wir vermuten aber, aufgrund der Personenanzahl und einiger Merkwürdigkeiten, dass es darunter eine Art Keller gibt.
Eine kurze Pause herrscht im Raum. Alle gucken sich abwechselnd an.
Arata: Wollt ihr Sergej meucheln?
Eine weitere kleine Pause.
Khan: Es sieht so aus, als wäre es die beste Idee, auch wenn es moralisch vielleicht etwas verwerflich erscheint. Solange hatte er sich noch nie an einem Ort aufgehalten, wo es keine große Anzahl von Mitgliedern gab.
Wang: Nimm’s nicht so hart Arata. Wenn du fest von uns überzeugt bist, dann vertrau uns einfach.
Arata schweigt. Er nickt einfach nur.
Khan: Arata, wir brauchen dich dabei. Die sogenannten göttlichen Kräfte sind uns zu unheimlich und noch nicht genug erforscht, als das wir ohne deine Hilfe uns trauen ihn zu konfrontieren.
Arata: Wie lange wisst ihr schon von diesen Kräften?
Khan: Nicht sehr lange, vor Sergej gab es in den anderen Regionen schon einige Vorfälle, aber hier ist es das erste Mal, dass wir selbst so etwas erlebt haben. Obwohl in etwas älteren Berichten auch Ähnliches zu finden ist, aber diese sind schon zwei Jahrzehnte her.
Arata: Welche Berichte?
Khan: Versteckt gehaltene Berichte aus den Behörden, wir haben dort ja auch einige Kontakte.
Arata: Meint ihr es gibt eine wahrhafte Verbindung zu der alten Götter-Religion?
Khan: Tja, es gibt da schon etwas, in wieweit die alten Mythen und Geschichten stimmen weiß keiner. Es scheint uns so, dass wen man eine Verbindung versucht zu ihnen aufzubauen, diese auch antworten, vielleicht auch nur gerade deswegen antworten können, damit meine ich, die Verbindung ihrer Macht wird durch dich hergestellt. Einige Theorien und Forschungen wurden unsererseits deswegen schon angestellt.

Bei dieser Stelle fiel mir sofort Elena ein. Ihr Familie glaubte noch an die Götter und nur dadurch hatte sie vielleicht die Verbindung erhalten und konnte von ihnen „geholt“ werden. Eine kurzer Gedanke der mir in den Kopf kam, den ich aber im Gespräch dann wieder verlor und vergaß.

Arata: Habt ihr Aufzeichnungen oder einen Verantwortlichen, mit dem ich darüber sprechen könnte?
Tom: Ja natürlich, aber ohne dich zu beweisen, ohne das wir gesehen haben, dass du ein Guter bist, lassen wir dich da nicht rein.
Katharina: Hat er denn nicht schon genug getan?
Tom: Berichte bla bla, ich brauche Fakten und Dinge, die wir verifizieren können.
Khan: Ich persönlich traue Arata zwar, aber manche Sachen sollten wir halt einfach nicht jedem preisgeben, verstehst du?
Arata: Kein Problem.

Persönlich mochte ich nie diese „Unvertrautheit“ zwischen Leuten, wenn man manche Dinge bedachte, die mich doch vertrauenswürdig machen sollten. Wie oft bin ich denn durch den Regen gelaufen? Ich laufe doch immer noch durch den Regen. Wenigstens behandelten mich manche ohne weiteres wie einer von ihnen.

Katharina: Wie sieht denn jetzt der genau Plan aus? Welche Aufgabe übernehme ich dabei?
Khan: Ursprünglich hatten wir zwar keine Aufgabe für dich, aber du bist bis zum Einsatzort für die Sicherheit Aratas zuständig. Wir werden nicht viele sein. Nur du, Arata, Wang und ich. Das Vorgehen wird ungefähr so stattfinden: Wir präparieren das Gelände um Sergejs Quartier herum und stehen alle in Position, soviel dazu, zu detailliert kann ich euch das nicht beschreiben. Aratas wird direkt reingehen und Sergej konfrontieren. Keine Sorge, wir kümmern uns darum, dass ihr allein sein werdet. Das ist alles, was du wissen musst.
Arata: Und dann soll ich ihn umbringen?
Khan: Nicht du direkt, wir sorgen dafür, du musst ihn einfach nur „verwundbar“ machen, indem du ihn konfrontierst.

Ein vorzüglicher Plan der mir da dargelegt worden ist. Ich hätte ja erwarten können, dass es nicht wie in einem schlechten Film läuft, wo tausende Statistiken und Grafiken herangezogen werden mit zig Animationen und detaillierten Unwichtigkeiten.

Khan: Noch irgendwelche Fragen?
Arata: Nein, geht schon klar. Wann findet das ganze statt?
Khan: Heute Abend schon, also mach dich bereit. Tom wird mit dir rausgehen und dir noch einiges sagen.
Tom geht vor und gestikuliert, sodass Arata ihm folgt.

Wir waren wieder draußen angekommen. Die anderen blieben noch und bekamen wahrscheinlich noch weitere Anweisungen. Währenddessen ging ich mit Tom neben mir weiter geradeaus. Dieser nicht sehr kräftige, aber sportlich aussehende Mann mittleren Alters kam mir mit seinem Bart unglaublich sympathisch herüber. Er erinnerte irgendwie an einen dieser coolen Figuren, die einen immer einen kühlen und guten Rat gaben, wenn man ihn denn brauchte. Er schien mir eine souveräne Figur, immerhin ist er auch einer der Teamleiter. „Mach dir keine Sorgen, wird schon schiefgehen.“ Mit diesem Spruch ging es mir natürlich gleich viel besser. Die Steine fielen von mir wie ein leerer Magen vom Fleisch. Ich sah nun endlich mehr Ärger sich zusammenbrauen. Die normalen Dinge standen für mich jetzt nur noch an der Seite. Meine Sichtweise änderte und änderte sich, ein Reifungsprozess innerhalb von mir beschleunigte sich, dennoch war ich der Alte und der Neue zugleich. Immerzu hatte ich aber diese eine Angst, die mir sagen konnte: „Du vergisst das alles.“ Wenn ich denn alles vergessen konnte, was ich gelernt habe, wäre es für mich nur paradox. Ich finde immer mehr im Leben heraus, temporär, nur um es später wieder zu finden und zu hoffen, dass es permanent in meinem Gedächtnis bleibt, ein Teil von mir sozusagen. Mein Abenteuer beginnt mal wieder mit einem überwältigenden Gefühl der überflutenden Kräfte, denn die Welt wartete nur auf mich. Dann fing Tom an mir etwas zu erzählen. Eine Sache, die ich nicht einfach so erwartet hätte wurde mir mitgeteilt. „Es scheint so, Arata, dass wenn die Mission erfolgreich ist, wir eine fette Party schmeißen werden. Die einzige Sache ist bloß: Der Alkohol fehlt uns.“ Diese unglaubliche Information hatte mich fast schon wieder erschüttert. Hatte ich mich doch auf den schönsten Pflaumenlikör gefreut, den es gibt, dafür ist nämlich diese Stadt hier berühmt. Meine Sehnsucht nach diesem Alkohol stieg unheimlich und am liebsten hätte ich mich gleich aufgemacht. Trinke ich doch schon seit ich 16 bin diesen Likör allzu gerne, also seitdem ich Alkohol trinken durfte. „Was machen wir denn da?“, antworte ich verwundert. Tom schaute mich nur mit einem Blick an, der mir überhaupt nichts sagte: Es war eine heruntergesetzte Miene mit engen Augen und tiefer Stirn. „Wie es aussieht, müsstest du mal Wang dazu überreden, seine Verbindungen in das Spiel zu bringen. Der Junge könnte unsere Chancen auf einen Alkoholgenuss echt erhöhen.“ Damit war ja dann mal wieder alles klar. Wie brachte ich denn jetzt diesen fetten Chinesen dazu den Alkohol herauszurücken? „Mal schauen“, dachte ich mir nur. Tom erklärte mir noch einige wichtige Details des Plan, die ich aber größtenteils nur nebenbei wahrnahm, da mir diese Dinge doch klar waren. Wie sollte es denn sonst sein? Er war halt ein richtiger Sherlock. Wie spät war es eigentlich schon wieder? Die Zeit lief mir mal wieder davon. Mein Rhythmusgefühl, meine Ordnung im Leben waren nicht mehr groß geschrieben. Ich hatte ab und zu ein beklemmendes Gefühl, welches mir sagte: Ich habe keine Ordnung mehr im Leben. Um ehrlich zu sein, war ich auch ein wenig verwirrt von den ganzen Dingen, die mir erzählt wurden. Zusätzlich würde ich gerne tiefer in diesen ganzen Hintergrund einsteigen, wissen für was ich kämpfen werde. Wo war eigentlich dieser Typ namens Wirklichkeit?

Schon hatte ich mich mit Tom verabschiedet kam auch schon Katharina mit den anderen heraus. Sie lief zu mir. Es schien, sie wolle mit mir sprechen. Mein Feld der Sicht begrenzte sich wieder, die Dinge im Hintergrund verschwunden. Der Effekt einer Tiefeneunschärfe war nicht vergleichbar damit. „Wie ein Gott auch nicht seine Gestalt zeigte, auch wenn die Welt zerstört war … Ich hab doch gesagt: Sich anstrengen ist nutzlos.“

Katharina: Hey Arata, bist du da?
Arata schaut in Katharinas Augen.
Katharina: Was ist los? Schautest so abwesend aus.
Arata: Ich weiß nicht, manchmal höre ich diese Stimmen.
Katharina: Was für Stimmen?
Arata: Ich glaube es sind Stimmen, die ich durch die Botin höre, aber genau weiß ich es auch nicht. Darauf bekam ich noch nie eine Antwort.
Katharina schweigt kurz.
Arata: Was wolltest du mir sagen?
Katharina schaut sich unauffällig um und geht dann mit Arata etwas weiter weg von den anderen Leuten in der Umgebung. Sie spricht mit einer leisen Stimme.
Katharina: Arata, der Plan ist potenziell schon gefährlich. Unsere Informationen spiegeln nicht wieder, welche Kraft Sergej besitzt. Ich habe so etwas schon erlebt, die Anderen aber nicht. Mach dich auf alles gefasst.
Arata: Machst du dir etwa Sorgen um mich?
Katharina: Natürlich, was denn sonst?
Arata schweigt.
Katharina: Bist du fit dafür? In einer halben Stunde wird es losgehen, die ersten machen sich schon bereit.
Arata: Ja, es geht schon.

Ich setzte mich hin. Katharina meinte, dass sie mit mir dann losgehen würde und ich bis dahin Freizeit habe. Auf diesem Grasboden saß ich und lehnte mich an einen Baum. Mein Kopf wurde voll von Möglichkeiten, den Dingen, die passieren könnten. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und aus. Die Gedanken leerten sich und mein Kopf wurde freier. Anders konnte ich ihn einfach nicht aushalten, diesen Druck der mich immer wieder überkommt. Deshalb hasste ich auch wichtige Prüfungen in der Schule, besonders mündliche. Mir schien es, als ob die Zeit nicht vergehen wollte, aber sie tat es schneller, als ich wollte. Da kam sie schon wieder. „Steh auf, es geht los.“ Alles ging so schnell. Jetzt riss ich mich wieder zusammen und lebte einen Höhepunkt meines Lebens. Nur ich und Katharina liefen zusammen zum Bestimmungsort. Es war unheimlich, diese Stille, die Stille vor dem Sturm. Katharina erzählte mir auf dem Weg den ganzen Plan mit einigen Details, die ich noch nicht kannte.

Katharina: Wir haben unsere Leute rund um das Haus aufgestellt, alle Himmelsrichtungen sollten damit gedeckt sein. Du musst wissen, rund um das Haus befinden sich viele Bäume. Es grenzt zu einem kleinen Waldgebiet an. Nur auf der Ostseite grenzt ein anderes Haus an. Fremde werden von uns sofort aufgehalten. Somit hast du dir keine Sorgen zu machen. Wir laufen auf dem Steinweg zum Haus, diesen sichere ich mit Wang und seinen Leuten dann ab.
Arata: Soll ich da etwa ganz allein rein?
Katharina: Khan persönlich wird vor dir reingehen. Er ist einer der wenigen hohen Persönlichkeiten unserer Organisation, deren Gesicht die Sekte nicht kennt. Direkt danach wirst du reingehen, also wenn die Situation klar ist.
Arata: Ich dachte das läuft anders ...
Katharina: Kleine Planänderungen.

Es dauerte nicht lange, da kamen wir auch schon an. Ich konnte nirgends die Leute zur Sicherung sehen, deshalb wunderte ich mich, ob sie überhaupt da waren. Ein kurzer Blick zu Katharina sagte ihr schon alles. „Keine Sorge, sie sind nur gut getarnt.“ Das beruhigte mich zwar nicht wirklich, aber nun gut. Katharina hatte ein kleines Headset im Ohr. „Es geht gleich los.“ Katharina führte mich hinter einen Baum, damit wir nicht einfach zu sehen waren. Khan kam hervor von der linken Ecke des Hauses. Er ging zur Tür, klingelte und versteckte sich hinter ihr. „Machte er jetzt einen Klingelstreich?“ Jemand machte auf. Mir war er unbekannt, war wohl ein normaler Anhänger, sah nicht besonders wichtig aus. Khan hatte natürlich einen genialen Überwältigungsplan. Er warf einen Stein von seiner Position aus. Der Mann ging einen Schritt nach vorne. Dies reichte schon, die Zeit Khan zu bemerken blieb nicht mehr, da kam ihm schon ein Tritt gegen den Fuß entgegen. Er fiel zu Boden und Khan schlug mit einem kleinen metallenern Gegenstand, den ich nicht weiter identifizieren konnte, auf seinen Kopf. Den bewusstlosen Körper schleppte Khan weg und von der rechte Seite kam schon ein anderes Mitglied: Es war Tom. Ich war ein wenig überrascht, sah er mir doch gar nicht nach einem Kämpfer aus. Sich der Tür nähernd, an der Wand entlang schleichend, hielt Tom Kontakt mit seinem Team. „Keiner in Sicht, Tom checkt noch ab und dann gehst du rein“, sagte mir Katharina, die über Funk den aktuellen Stand mitgeteilt bekam. Ich schaute sie etwas hilflos an. „Keine Sorge, das war wahrscheinlich der einzige. Unsere Späher waren sich nicht sicher ob ein oder zwei Leute Sergej bewachten.“ Darauf fiel mir auch nichts mehr ein. Dann war es auch schon soweit: Tom hatte den Flur abgecheckt, er gab ein Handzeichen. Weiter trauten sie sich wohl auch nicht hinein. „Dann lag es wohl wieder an mir, die Welt zu retten.“

Mit normaler Geschwindigkeit ging ich in das Haus. Jeder Schritt war mit etwas Nervosität geladen. Ich merkte meine Körperbewegungen und war auch darauf konzentriert, wie ich ging. Dieser Druck ließ mich so einiges vergessen. Gerade so bemerkte ich es, dieses Verkrampfen, und versuchte mich zu entspannen. Ich ließ Emotionen in mein Kopf fließen, des Hasses und der Trauer. Sie ließen mich gleich viel entspannter an die Sache herangehen. Wie ich in diesem Momente es wieder liebte, dass ich bequeme Kleidung anhatte. Aber über was dachte ich da nach? „Ich erzähle ja eh Unsinn.“

Dieses Schaudern was mir beim hereintreten kam werde ich wohl nie mehr im Leben vergessen. Es wird immer Momente geben, in welchen ich dieses eine Gefühl wiederbeleben lasse und dann diese Aktion im Kopf habe. „Er hält sich wahrscheinlich im Keller auf“, sagte mir Tom noch kurz davor. Wie sollte ich denn jetzt den Keller finden? Manche Leute stellten sich das Leben auch wie einen schlechten Film vor, in welchem ein jeder wohl immer wusste, was zu machen war. In diesem Falle hatte ich aber Glück: Der Keller war geradeaus um die Ecke. Es führten Treppen auf einen schmalen Gang nach unten. Rechts und links von mir sah ich aufeinander gemauerte Steine. Nach ungefähr zwei Dutzend Stufen war ich in einem kleinen Flur angekommen. Er führte in eine Tür vor mir und eine kleine Abstellkammer rechts von mir. Ich schaute kurz in die Abstellkammer. Nichts als Kartons und irgendwelche Kisten waren dort zu sehen. Am liebsten hätte ich gewusst was hier gelagert worden ist, aber dafür hatte ich keine Zeit. Ich schlich geradezu an die Tür heran und hielt mein rechtes Ohr an sie. Totenstille war zu hören oder auch nicht. Mit einem Schlag machte ich die Tür auf. Sie stand in der nächsten Sekunde weit offen und vor mir offenbarte sich der Raum und sein Inhalt.

Da stand ich nun also, vor mir Sergej, welcher auf den Boden starrte und dort lag ein unbekannter Mann. Daneben war ein Rabe, es war wohl der Rabe von damals. Auf einmal fing Sergej an mit mir zu reden, obwohl er gegen die Wand gerichtet hinter einem Tisch stand. Mir fiel noch kurz die Pistole auf und dann fing er auch schon an zu reden. Seine Stimme hörte sich anders an.

Sergej: Er wollte mir den Raben zeigen und fragte, wo wir ihn ausstellen sollen. Als Zeichen unserer Macht quasi.
Arata: Sergej …
Sergej dreht sich langsam um.
Sergej: Sah ich die ganze Zeit nur einen Traum? Was war bloß mit mir? Dieser arme Vogel, für nichts und wieder nichts.
Arata: Was hast du mit dem Mann gemacht?
Sergej: Ach, eigentlich gar nichts. Mich hat es emotional etwas mitgerissen, als er mich mit dem Vogel konfrontiert hat. Seitdem du mir dieses Weiße eingeflößt hast, bin ich anders. Ich habe nachgedacht: Es ist wahrscheinlich eine Mischung deiner Kräfte und die Alexas, welche sie ja wiederum vom fünften Gott hatte.
Arata: Vom fünften Gott? Wie ist das möglich gewesen?
Sergej: Eine Geschichte, die etwas länger her ist und von der nur sehr wenig Leute wissen, unter anderem ich. Damals unterstützte ich noch einen Auserwählten, wie du einer bist. Alexa war seine Freundin und kurz vor seinem Tod gab er ihr die Kräfte des fünften Gottes.
Arata: Heißt das, dass der fünfte Gott nicht mehr lebt?
Sergej: Zurzeit gibt es keinen fünften Gott. Das ist richtig. Aber genug der Worte, du kamst bestimmt nicht, um nur mit mir zu reden, aber ich mach es dir auch nicht so leicht, nicht zu reden. Ich zeige dir jetzt eine spezielle Technik. So wie der Wind bläst sie dich um.

Damit begann ein unerwartet spontaner Stoß von seinen Lebenskräften auf mich. Direkt vor mir hielten sie an und glitten an mir vorbei, wie ein Windstoß der gleichmäßig von mir abging.

Im nächsten Moment wachte ich auf und stand mit einem Ruck auf. Immer noch im Raum schaute ich schnell auf die Uhr, nachdem ich gemerkt hatte, dass niemand hier war. Es ist nur ungefähr eine Minute vergangen. Vor mir sah ich aber etwas Neues: Eine Art Falltür, die wohl noch eine Ebene nach unten führte. „Was sollte das bloß?“, fragte ich mich während ich langsam hinging. Für einen kurzen Moment dachte ich an die Möglichkeit, dass es eine Falle sein könnte. Andererseits hatte ich auch keine andere Wah. Dieser Wahnsinnige musste doch sein Ende finden. Mir kam wieder der Hass auf ihn hoch, besonders durch seine plötzliche Attacke. Also ging ich diese verdammte Falltür hinunter, an der eine kleine Leiter hing. Dort war alles dunkel. Ich konnte kaum sehen, wo es mich hinführte. Vorsichtig ging ich die letzte Stufe hinunter und drehte mich um. Circa 5 Meter vor mir war Licht aus einem Türspalt zu sehen.

Was sahen da meine Augen bloß, dass ich nichts mehr sagen konnte? Als ob man ein Pessimist sein könnte nach diesem Anblick? In mir kam es wieder hoch - Wie ein Flashback, der wieder zu mir kam. Ein toter Vogel und ein toter Mensch – Das war alles, was ich sah. Das Geräusch, von welchem ich erwachte, musste was damit zu tun gehabt haben. In diesem kleinen Raum war nichts weiter als der Tod. Leer von Möbeln wunderte es mich etwas, was hier drin eigentlich sein sollte. Die Lebenskräfte Sergejs lösten sich auf. Direkt vor meinen Augen ereignete sich ein sanftes Spektakel. Nur ganz unterbewusst nahm ich die Pistole wahr, mit der er sich wohl erschossen hatte. Man kann wohl nicht Liebe und Glück kaufen, egal wie viel Macht man hatte. Es ging wohl immer nur bergab für ihn. Theorien entwickelten sich innerhalb meiner Gedanken, welche darüber spekulierten, wie es soweit kam. Was passierte mit Sergej vor seinem Tod? Der Drang mehr herauszufinden, sollte noch etwas anhalten. Eigentlich wollte ich es den anderen überlassen, aber ich musste es einfach selbst tun. Ich durchsuchte die Kleidung des toten Körpers. Gab es vielleicht irgendeine Nachricht für mich oder einen Anhaltspunkt für etwas? Nicht das ich der Anti-Gemeinschaft nicht traute, aber manche Dinge sollte man einfach selbst in der Hand haben.

Alles, was mir bis zu diesem Ereignis geschah, war mir, wenn ich jetzt wieder darüber nachdachte, fremd. Es schien mir eine andere Person gewesen zu sein, da ich mich wohl noch so sehr ändern sollte. Beide Male sollte der Weg weitergelaufen sein und ich wollte dort noch eine Weile stehen bleiben und keine Gedanken greifen, sondern nur darauf warten, dass etwas passierte. Aber auch am Morgen sollten sich wieder die Lichter für den nächsten Tag sammeln. Da hörte man auch schon die ersten Schritte, die in meine Richtung führten. Das Geräusch kam mir so bekannt vor, dass es nur von den Schuhen Katharinas kommen konnte. Wo blieb denn jetzt wieder das Fragezeichen über meinem Kopf? Eigentlich sehnte ich mich zu dieser Zeit nach alten heimatlichen Gefühlen, aber die Präsenz Johns in mir ließ meinen Blick weit offen bleiben.

- Der Tunnel öffnete sich -

Und ich erinnerte mich einfach wieder an diese Melodie. Jemand kam herab zu mir. Ich drehte mich um, mit dem Bewusstsein, dass es eine freundliche Begegnung wird. Wahrlich das Gesicht eines Mädchens, welches in mir liebliche Gefühle erweckte, erschien vor mir. Ich schaute auf die Uhr: Es war 8:45 Abends. Mich anlächelnd, die Freude ausstrahlend, lag der Tod immer noch vor mir. Sergej wusste Dinge, die ich noch nicht erahnen konnte. „Wir müssen hier raus“, sagte mir Katharina. Sofort begriff ich und ging mit ihr. Die Situation hatte sich verändert. Eine Flucht hatte stattgefunden. Es waren neue Freunde angetroffen.

Es verlief wieder alles recht schnell, da standen wir auch schon vor dem Haus. Wang stand nervös am Weg, nicht weit von uns. „Schnell weg hier“, waren seine Worte. „Alle anderen sind schon weg.“ Die Lage hatte für mich eine beklemmende Wirkung. Ich war nicht gefasst auf das, was kommen würde. „Das Leben ist so verdammt schön, scheiß auf meine Ehre.“ Ich verließ meine Angst und ließ es kommen. Wang führte uns in Richtung Wald, um über ein anderes Grundstück zu entkommen. So war der Plan jedenfalls. Von den Bäumen sprangen plötzlich zwei Männer herunter. Wir blieben stehen, wurden dazu gezwungen. Hinter uns kam er: Die Quelle der Kraft, der Mann der mich noch lange beschäftigen sollte. Es war ein Biest von einem Mensch. Seine muskulöse und große Statur beeindruckte genau so wie sein Auftreten. Meine Freunde waren sprachlos.

Mann: Wunder dich nicht. (Spuckt auf die Erde.) Ich habe sie verstummt.
Er grinst Arata an.
Arata: Wer bist du? Was wollt ihr?
Mann: Nenn mich Horst. Du kleiner Nebencharakter störst also diese Region. Ich wusste schon damals, dass Sergej zu nichts mehr zu gebrauchen sein wird.
Arata: Bist du von einer anderen Region der Sekte?
Horst: Oho, der Junge versteht. Ich komme direkt auf Befehl von Oben. Eigentlich lebe ich in Nordhausen, aber diese Kraft hier ist auch nett.
Horsts Lebenskräfte werden immer stärker.
Arata: Du weißt, dass Sergej tot ist?
Horst: Was du nicht alles weißt, Arata. Aber wir wissen auch so einiges. Wenn dir die Botin nicht so oft helfen würde.
Arata: Und wenn euch die Götter nicht so manipulieren würden.
Horst: Du weißt noch so wenig.
Horst tritt nach vorne.

Das Gespräche endete so plötzlich wie der Kampf auch anfing. Der Mann ließ die Erde beben. Jedenfalls fühlte es sich für mich so an. Als ob ein tiefer Ton mein Körper zittern ließ. Auch wenn ich sah, wie er seine Lebenskräfte kontrollierte, war er in der Lage auf mich zuzugehen. „Überrascht? Sergej konnte das auch, war aber kein Liebhaber des Nahkampfes.“ Horst schritt immer näher. Während mich die ersten seiner roten Lichter trafen, kam er mir vor meinem Gesicht zum Vorschein. Der Schlag mitten in den Bauch. Ich war vom Schmerz wie gelähmt, dazu wirkten dann auch die Kräfte von Horst. Sie gaben mir das Gefühl von Wut und Schmerz gleichzeitig. Mir wurde für einige Sekunden schwarz vor Augen. Horst genoss einfach den Moment. „Wird dich diesmal auch jemand retten?“ Wie das Schicksal wollte, würde mich wohl doch wer erlösen von dieser elenden Situation. Aus dem Boden funkelte es. Die Kräfte Sergejs kamen aus der Erde hervor. Sie waren alle viel strahlender und heller, geradezu weiß. Meine Freunde kamen aus ihrer Starre heraus und im Gegensatz dazu waren Horst und seine Männer wie vereist. Wang und Katharina ließen keine Zeit vergehen und halfen mir beim flüchten, indem sie mich packten und mitschleppten. Ein peinliches Ende meiner Übermut. Hätte ich doch von Anfang an fliehen können …



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